syn: ’Madame de la Vallière’, ’Glorious Parfuma’
Edelrose
Kordes (D), 2013
Kreuzung: unbenannter Sämling x unbenannter Sämling
Farbe: Ècruweiß mit rosé oder apricotfarbenem Schimmer
Füllung/Form: dicht gefüllt, edelrosenartig bis ballförmig
Duft: intensiver „Myrrheduft“
Höhe: bis ca. 140 cm
Was für eine prachtvolle Rose – und zwar hinsichtlich der Blüte wie auch der Pflanzenerscheinung! Beim ersten Hinschauen fällt sie schon durch ihre bemerkenswerte Höhe auf. Bereits im ersten Standjahr erreichen die Sträucher auf guten Böden Mannshöhe und tragen die großen Blüten in den oberen Zonen der Triebe in kleinen Büscheln.
Ja, und die Blüten lohnen jederzeit ein Näherkommen. Wenn sie von der Ferne auch erst einmal in einem gebrochenen Weißton erscheinen, offenbaren sich en detail feinste Schimmer von Aprikosengelb bis Ahnungen von Apfelblütenrosa. Die Farbeffekte sind derart zart, dass sie eher an Lüster von Perlen erinnern, als einen Eindruck von tatsächlich vorhandener Farbe hinterlassen. Lediglich bei sehr starker Hitze findet sich keinerlei Farbhauch und die Blüte erscheint kreideweiß, wie das unterste Foto dieses Beitrages belegt.
Auch hinsichtlich der Blütenform überrascht ’Madame Anisette’. Vor allem zwischen Früh- und Hochsommer entfalten sich die eiförmigen Knospen auf sehr elegante Weise zu perfekten Edelrosenblüten, die den Vergleich zu den wahrhaft formvollendeten ’Wedding Bells’ oder ’Vedette’ absolut standhalten. Später im Jahr tendiert die Blütenform der ’Madame Anisette’ eher zur Ballform, die eher an eine typische Remontantrose von hinreißender Schönheit (siehe großes Bild unter diesem Absatz) denken lässt. Die Blüten sind jederzeit sehr dicht gefüllt. Das hat allerdings einen Nachteil: Weil die Blütenblätter eher weich sind, können sie bei anhaltender Nässe oder herbstlichem Morgentau faulen und sich öffnende Blüten werden dann zu braunen Mumien. Im Herbst wird das durch die öfter auftretende Ballform begünstigt – wohin soll schließlich Regenwasser ablaufen? Das ist aber kein Grund, ’Madame Anisette’ nicht zu wählen. Zu sehr überwiegen ihre Gartentugenden und selbst in nicht ganz so heißen Sommern sind die sonnigen Tage in der Überzahl und und die Freude an den Blüten ist ungetrübt.
Den Namen erhielt diese wunderschöne Sorte vermutlich aufgrund ihres ungewöhnlichen Duftes. Der ähnelt so gar nicht einem Rosenduft, sondern ist eine Mischung aus Gewürzen. Anis, Liebstöckel, Fenchel lassen sich erkennen und die Gesamtheit erinnert an Myrrhe. Ein solcher Myrrheduft ist sehr selten bei Rosen, wenn auch einige sehr berühmte Sorten ihn verströmen. Als erste ist die Historische Rose ’Belle Isis’ damit bekannt geworden. Sie hat ihn an ’Constance Spray’, eine der ersten Englischen Rosen von David Austin, weitervererbt. Im Züchterhaus Kordes ist mir dieser Myrrheduft auch durch die Sorte ’Sebastian Kneipp’ wiederbegegnet, die hinsichtlich der Farbe und Pflanzenerscheinung unserer neuen ’Madame Anisette’ schon ähnelt. Es würde mich nicht wundern, wenn beide Sorten miteinander verwandt wären. Aber ich gebe freimütig zu, dass ich die neuere Madame für die schönere von beiden halte.
Die Gesundheit der frischgrünen Belaubung erscheint mir eisern. Ich hatte sie schon in meinem Bielefelder Garten keinerlei Symptome von irgendeinem Pilzbefall finden können und auch woanders stehen die Pflanzen da, als wäre das Blattwerk frisch poliert. Auch bei dieser Sorte ist eine eindeutige Klassifizierung etwas knifflig, denn streng genommen bringt ja eine Edel-Rose ihre Blüten vorwiegend an einzelnen Trieben hervor, während ’Madame Anisette’ eher büschelblumig ist. Falls es die Kategorie „Grandiflora-Rosen“ noch gäbe, wäre sie sicher eine von ihnen. Aber das aktuelle System kennt diese Unterscheidung nicht mehr und so ist sie am ehesten tatsächlich eine Edel-Rose.
Die Pflanzen sind sehr schmal und durch ihre Höhe würde eine einzelne von ihnen proportional überstreckt wirken. So bietet es sich an, sie gruppenweise zu pflanzen – und zwar an einem Platz an dem sie ihre beeindruckende Höhe erreichen darf. Erfahrungsgemäß kann man an hoch hinaus wollenden Rosen herumschneiden wie man will; kompakte Pflanzen macht man dadurch nie aus ihnen.
In Frankreich heißt die hier vorgestellte Sorte übrigens ’Madame de la Vallière’. Louise de La Vallière (1644-1710) war eine der Mätressen des französischen „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV. Unsere Rose dürfte durchaus in die höfische Prachtentfaltung des Barock hinein gepasst haben und so ist diese Assoziation nicht ganz unpassend. Mir persönlich gefällt der Name ’Madame Anisette’ jedoch noch besser. Schwungvoll stimmt er auf das ungewöhnliche Dufterlebnis das die Blüten bereit halten ein.