Jeder kennt sie und wer ihrem Liebreiz nicht erliegt, muss schon schon ein ziemlich hartgesottener Zeitgenosse sein. Ganz gewiss begründet der Charme der Schneeglöckchen sich nicht allein in der zarten Erscheinung der Pflanzen und Blüten. Die Laubbüschel sind nicht höher als gewöhnliches Rasengras und die Blüten hängen an einem sehr feinen Stiel herab. Hinzu kommt ja, dass ausgerechnet diese zart anmutenden Blumengebilde zu einer Zeit im Freien blühen, die alles andere als freundlich zu den Pflanzen ist: Bekanntlich verabschieden sie den Winter und läuten mit ihren Glöckchenblüten die erste Phase des Frühlings ein, die als phänologische Jahreszeit „Vorfrühling“ jedem Gärtner, jeder Gärtnerin ein Begriff sein sollte. Ich finde es jedes Jahr absolut faszinierend, wie diese kleinen Helden der Pflanzenwelt Schnee, Eis und Dauerregen trotzen, die während ihrer Blütezeit eher die Regel als die Ausnahme sind.
Die verschiedenen Arten der Schneeglöckchen ähneln sich stark in ihrem Pflanzenaufbau. Kleine Unterschiede finden sich bei der Laubfarbe, die etwa bei der heimischen Wildart Galanthus nivalis graugrün ausfällt, bei der etwas höheren Galanthus elwesii frischgrün daher kommt. Letztere blüht eine knappe Woche eher auf, als die „Niwalisse“ und ist mit 15-20 Zentimetern auch etwas höher. Von beiden Arten gibt es Selektionen und Züchtungen, die sich in reizvollen Details unterscheiden – etwa den Proportionen der langen und kurzen Blütenblättern oder dem Weißton der ins Creme oder gar gelbliche spielen kann. Auch gefüllte Sorten mit mehr als drei kurzen Blütenblättern kommen vor oder solche, die eine reizvolle grünliche Zeichnung oder einen Punkt an den langen Blütenblättern, wie die links abgebildete Sorte ‚Viridipictis‘ aufweisen. Stets bringt ein Stiel eine einzelne Blüte hervor und diese nickt grundsätzlich. Um Unterschiede einzelner Sorten überhaupt zu erkennen, muss man vor ihnen auf die Knie gehen – oder sie in Töpfen pflanzen. Erstaunlich, wie viele Pflanzenliebhaber das tatsächlich machen! Man bezeichnet sie liebevoll als „Galanthophile“ und die kleine feine Schneeglöckchen-Fangemeinde ist bereit, für besondere Züchtungen auch ordentliche Preise zu bezahlen, um sie in ihre oftmals streng gehütete Sammlung aufzunehmen.
Schneeglöckchen scheinen allgegenwärtig zu sein. Wo sie sich einmal eingewachsen haben, verbreiten sie sich sehr willig zu großen Pulks und Beständen. Allerdings ist die Pflanzung von Zwiebeln im Spätsommer oder Herbst nicht immer von Erfolg gekrönt. Sie trocknen nämlich relativ schnell aus (ähnlich wie Märzenbecher – Leucojum vernum). Solche taub gewordenen Zwiebeln sind bereits abgestorben. Daher ist es ratsam, Schneeglöckchenzwiebeln nur bei wirklich renommierten Händlern zu kaufen. Dort werden sie richtig gelagert und/oder in Kokosfasern oder ähnlichen Materialien verpackt versendet. Lediglich die Art Galanthus woronowii ist da etwas robuster.
Weil die Zwiebeln so empfindlich sind, pflanzt man Schneeglöckchen besser wenn sie blühen oder gerade verblüht sind – man spricht dabei von „in the green“. Pflanzen die blühend in Töpfen angeboten werden, selbst gängige Arten und Sorten, sind dabei vergleichsweise teuer. Töpfe mit drei oder fünf ausgetriebenen Zwiebeln kosten meist zwei bis drei Euro und wer an eine Flächenpflanzung von etwa 50 Pflanzen als Start denkt (was angesichts der Feinheit der Pflanzen auch noch nicht gerade viel ist), wird sein Budget überprüfen müssen. Manchmal kommt man an abgeblühte Partien getopfter Schneeglöckchen, die zum Sonderpreis angeboten werden – hier lohnt das Zugreifen unbedingt. Noch netter ist es, wenn ein Besitzer/eine Besitzerin eines großen Schneeglöckchenbestandes bereit ist, denn noch schneeglöckchenlosen Interessenten ein paar Spatenstiche vom Objekt der Begierde kurz nach der Blütezeit abzugeben.
Die Ansprüche der Schneeglöckchen, etwa der oben abgebildeten ‚Sam Arnott‘ sind (selbst in Pflanzgefäßen) leicht zu erfüllen. Sie bevorzugen einen Platz unter Laubgehölzen und einen Gartenboden, der im Sommer nicht gerade knochentrocken ist. Im Frühling, wenn die Zweige der Gehölze noch kahl sind, reicht die Lichtmenge locker für die Schneeglöckchen aus, denn sie sind Sprinter in Sachen Entwicklungszyklus. Sie treiben, blühen und fruchten rasant und das Laub zieht im Mai meist schon ein. Wichtig ist, wie bei allen Zwiebelpflanzen, dass es den Pflanzen belassen wird, bis es von selbst verdorrt ist – nur so können sie ihre unterirdischen Energiespeicher wieder ausreichend auffüllen um im nächsten Jahr zu blühen, die willkommenen Brutzwiebeln zur Vermehrung ausbilden und obendrein noch reife Samen entlassen, die ebenfalls zur Verbreitung der Bestände bestens dienen.
Eine einzige Sache ist aber bei den Schneeglöckchen bitte zu noch beachten – das lege ich Ihnen ans Herz: Die reinen Arten, allen voran Galanthus elwesii, werden nicht selten am Naturstandort in Kleinasien in wahren Massen eingesammelt – ohne Rücksicht darauf, ob sich die wilden Bestände dort jemals wieder erholen können. Es geschieht damit ein echter Raubbau der den ursprünglichen Habitat verarmen lässt, in manchen Gegenden sind die einst weit verbreiteten Arten bereits ausgestorben. Solche Partien werden als Schnäppchenangebote in den Handel gebracht, weil die Beschaffung billiger ist, als eine gärtnerische Vermehrung. Bitte achten Sie daher darauf, Schneeglöckchen aus gärtnerischer Kultur von seriösen Händlern zu kaufen. Sie sind teurer, ich weiß, aber dafür ist die Freude an den herzrührenden Frühlingsboten dann wirklich ungetrübt.