… ich will ja nicht besserwisserisch sein, aber es muss einfach immer mal gesagt werden: Die Zwiebelpflanzen, die wir als „Amaryllis“ bezeichnen und im Winter und Frühling ihre riesigen, spektakulären Blüten zeigen, sind keine echten Amaryllis sondern müssten genau genommen als „Ritterstern“ gehandelt werden – was eine recht genaue Übersetzung des lateinischen botanischen Namens wäre. Die echte Amaryllis heißt bei Botanikern Amaryllis belladonna, zu deutsch „Belladonnalilie“, und lässt sich im Freien als nicht winterharte Zwiebel-Kübelpflanze kultivieren und blüht im Hochsommer. Abgebildet sind die Sorten ‘Minerva’ (rot-weiß gestreift), ‘Naranja’ (rotorange) und ‘Gervase’ (rot-rosa gestreift).
Unsere Zimmer-Amaryllis hingegen punktet mit ihrer Blütezeit im Winterhalbjahr – so zwischen Dezember und Mai ist ihre Saison.
Man kann sie als fertige Pflanze bereits angetrieben kaufen, aber ich finde, das ist nur der halbe Spaß ohne jegliche Spannung.
Ich besorge mir lieber die eindrucksvoll dicken Zwiebeln vor Ort in einem Gartencenter oder per Versand aus den Niederlanden oder Deutschland und setze sie auf.
Und das klappt wunderbar, wenn man bei der Pflanzaktion (die ich Ende November vorgenommen hatte) und auch später ein paar Dinge berücksichtigt:
- Der gewählte Topf ist so groß, dass rings um die Zwiebel herum etwa ein Fingerbreit Substrat als „Gießrand“ verbleibt.
- Man gibt eine kleine Dränage etwa aus Tonscherben oder Hydrogranulat in den Topf, ehe die Erde eingefüllt wird, um Staunässe zu vermeiden.
- Verwendet wird ein gutes Substrat für Zimmerpflanzen das vorgedüngt ist. Rittersterne haben einen enormen Appetit und brauchen viele Nährstoffe.
- Die Zwiebel wird nur halb tief eingepflanzt. Dort wo sie am dicksten ist ist die Mitte und darüber sollte sich kein Substrat mehr befinden
- Danach wird einmal (!) angegossen – und die Pflanze wird vorerst in Ruhe gelassen. Anfangs zu nass gehaltene Zwiebeln die noch nicht genügend Wurzeln gebildet haben um Wasser aufzunehmen faulen leicht. Die Pflanzen stehen hell am Fenster bei üblichen Zimmertemperaturen.
- Die Pflanze zeigt ihren steigenden Wasserbedarf selbst an. Ist der Blütenschaft, der sich bald zeigt, etwa eine Handspanne hoch, wird vorsichtig gegossen. Etwa in drei Tagen Abstand, denn noch immer ist das Wurzelsystem nicht voll ausgebildet.
- Amaryllisschäfte wenden sich nach dem Licht. Damit sie nicht krumm wachsen – und später die schweren Blüten abbrechen würden – dreht man den Topf immer so, dass sie sich kerzengerade ausrichten.
8. Öffnen sich die ersten Blüten, lassen sich meist auch die breiten, riemenförmigen Blätter blicken, die als Blattschopf entspringen. Ab dann darf das Substrat bis auf weiteres nicht mehr austrocknen.
9. Erst wenn die letzte Blüte eines des hohlen kahlen Blütenschaftes verblüht ist, wird der ganze Schaft an der Basis ausgeschnitten. So unterbindet man eine Samenbildung, die die Pflanze schwächen würde. Nur wer es ausprobieren möchte einmal aus eigenen Pflanzen Sämlinge heran zu ziehen, lässt eventuell befruchtete Blüten stehen. Allerdings ist das ein langwieriges Unterfangen und eignet sich lediglich für absolute Amaryllis-Liebhaber.
10.Die Blätter sind nicht unbedingt eine besondere Zierde. Außerdem wenden sie sich ebenfalls nach dem Licht und können sehr lang werden und sogar knicken oder abbrechen. Hier schafft weiteres Drehen des Topfes etwas Abhilfe – unter Umständen werden die Blätter etwas zusammengebunden und gestützt. Es ist extrem wichtig, alles Laub zu erhalten, und jedes neu erscheinende Blatt wird begrüßt. Nur sie garantieren, dass die Pflanze ausreichend Energie sammelt um für das Folgejahr Blüten anzulegen.
11. Nach dem Verblühen wird im Wochenabstand mit Volldünger gedüngt. Solche Hochleistungspflanzen brauchen einfach Kraftnahrung.
12. Ist es etwa ab Mai frostfrei, kommen die Pflanzen am besten ins Freie. Sie können aber auch im Zimmer bleiben. Ich persönlich stelle sie aber an einen halbschattigen Platz auf die Dachterrasse an einen wenig auffälligen Ort, denn so schick finde ich das Laub nicht. Außerdem achte ich darauf, dass sie windgeschützt stehen, damit das Laub nicht geknickt wird.
13. Den ganzen Sommer pflege ich die Amaryllis genauso wie meine anderen Kübelpflanzen.
14. Im Herbst, etwa ab Ende September, spätestens Mitte Oktober – deutlich vor den ersten Frösten – stelle ich die Pflanzen wieder ins Zimmer und drossele die Wassergaben schrittweise, höre auf zu düngen und nach vier Wochen zu gießen. Das hat zur Folge, dass (sehr langsam) das Laub vergilbt und die Pflanze einzieht. Sie wird im trockenen Topf aufgehoben.
15. Erst wenn sie von selbst wieder einen Blütenschaft treibt und dieser die berühmte Handspanne hoch ist, beginne ich wieder zu gießen und schaue zu, wie sich wächst. Der Kreis hat sich geschlossen.
Amaryllis lassen sich über viele Jahre kultivieren, wenn sie erst einmal in Schwung sind. Allerdings erscheinen die Blüten von eigenen Pflanzenveteranen fast immer sehr viel später als die von neu gekauften Zwiebeln. Der Grund: Angebotene trockene Zwiebeln sind durch eine bestimmte Kühlbehandlung so präpariert, dass sie raschere neu austreiben und blühen. Mir ist das immer zu kompliziert und ich freue mich total auch wenn es erst Mai wird über diese tollen Blüten. Zur Verfrühung schnappe ich mir jedes Jahr ein paar neue Zwiebeln und baue so meine Sammlung (es sind mittlerweile ein gutes Dutzend Sorten geworden) aus. Es ist absolut erstaunlich, wie viele tolle Sorten es gibt die alle ihren eigenen Charakter haben! Abgebildet ist hier oben etwa die bizarre, wildhaft anmutende „Cybister-Amaryllis“ namens ‘La Paz‘.
Wer eine nette kleine Geschichte darüber lesen will, wie ich als Teenager Amaryllis kennen gelernt habe, klickt einfach auf diesen Link, der zur entsprechenden Seite der Website der Staudengärtnerei Gaissmayer führt. Dort lässt sich das nachlesen.
Noch zwei Anmerkungen:
1.) Ich mag gewachste oder sonstwie versiegelte Amarylliszwiebeln, die gern als Design-Geschenk angeboten werden ebenso wenig, wie die Möglichkeit, Amaryllis auf Wasser in speziellen Gefäßen anzuziehen. Auch wenn sich die Blüten durchquälen können, wird die Pflanze nach einer solchen Tortur kaum dauerhaft lebensfähig sein. Ich habe ja schon ein schlechtes Gewissen, ein bisschen wenigstens, wenn ich Tazetten- oder Hyazinthenzwiebeln nach dem Antreiben entsorge. Bei Amaryllis die so einfach weitergepflegt werden könnten, wenn man sie richtig behandelt werden, finde ich die Wegwerfmethalität noch deutlich weniger angebracht.
2.) Amaryllis als Schnittblumen erfreuen viele Blumenliebhaber. Das verstehe ich, denn sie lassen sich äußerst kreativ in Sträußen und Gestecken einsetzen. Doch mir ist aufgefallen, dass die gleichen Sorten die als Schnitt- wie auch als Topfpflanze angeboten werden unterschiedlich aufblühen. Fast immer bleiben die Tepalen der großblumigen Sorten pokalförmig stehen, wenn sie knausrig für die Vase geschnitten wurden. Die Blüten an einer Pflanze scheinen mehr Energie zu bekommen und öffnen sich zuweilen sehr weit. Sie scheinen sich vollends herzuschenken. Mir gefällt das so gut, dass ich schon lange keine Schnittamaryllis mehr gekauft oder verschenkt habe und mich ausschließlich um die Zwiebeln und Pflanzen kümmere.