Auf der Internationalen Pflanzenmesse in Essen, IPM, gibt es zum Jahresanfang immer viel zu bestaunen. Absolut fasziniert war ich einmal am Stand von Orchideen-Hassinger, die für den Großhandel produzieren. Wichtig: Man kann als „Endverbraucher“ nicht bei ihnen direkt kaufen, sondern muss sich nach den Markenlabels im Handel umsehen. Der gesetzte Link auf die Website soll lediglich zeigen, welche Orchideenarten dort entwickelt werden.
Hier kam ich mit den Damen am Stand ins Gespräch und mir fiel eine Orchidee auf, die ich vorher noch nie gesehen hatte: Dendrochilum glumaceum. Es handelt sich um eine eher kleinwüchsige Pflanze mit ausgeprägten Pseudobulben an der Pflanzenbasis aus denen je ein länglich-lanzettliches Blatt entspringt. Blühfähige Pseudobulben brachten noch einen drahtigen Schaft hervor, der mit dutzenden kleinen Knospen besetzt war. Die ersten von ihnen blühten bereits zu zierlichen, milchweißen Blüten auf. Die Blütenform ähnelt einer winzigen, etwas bizarr und spitz geformten Cymbidium-Blüte – zugegeben stark abgewandelt. Die einzelnen Blüten formieren sich zu einer Traube. Wie von einem Federkiel spreizen sich beidseitig die Blüten ab und ich finde, der gesamte Blütenstand ähnelt einer Feder. Genauso leicht und luftig wirkt der Blütenstand dann auch. Sind die knospigen Blütenstände noch weitgehend aufgerichtet, neigen sie sich beim Aufblühen graziös über – ein hinreißender Auftritt dieser filigranen Blüten. Ich würde sie im Deutschen „Feder-Orchidee“ nennen.
Dass ich diese Pflanze bisher noch nicht im allgemeinen Handel gesehen habe (ich besuche kaum spezielle Orchideenmärkte, für echte Orchideenfreaks mag diese Art ein „alter Hut“ sein), hat seinen Grund. Dem Vernehmen nach, müsste eine Pflanze um die 15 Euro im Endverkauf kosten. Neben den fast immer großblumigen Orchideen zum gleichen Preis, scheint Dendrochilum glumaceum nicht besonders marktfähig zu sein. Schade, aber so wird verständlich, dass es schwierig ist, sie zu kaufen – doch im Internet finden sich auch einige Versandfirmen.
Ich zeigte meine Betrübnis über den Umstand, dass es wohl knifflig sein würde, an eine Pflanze zu kommen. Aber ich hatte nicht mit der Freundlichkeit der Ladies am Stand gerechnet: Sie schenkten mir ein noch voll in Knospe stehendes Exemplar (eines von zweien, die vor Ort waren, die andere blühte bereits) zum Ausprobieren. Das ist absolut unüblich, denn es war der vorletzte Tag der Messe, und da gibt kein Aussteller gerne Pflanzen vom Stand heraus. Ich versprach hoch und heilig, diese Pflanze wie meinen Augapfel zu hüten. Kein leichtes Unterfangen, denn ich hatte nach dem Messebesuch noch einige Wege vor mir und es war kalt und regnerisch draußen. Am Stand von Rosen-Tantau bekam ich Einwickelmaterial in Form einer Papiertüte und Küchenkrepp. So geschützt mutete ich der Pflanze die Umwege über die Wohnung meines Sohnes, den Lohhof und die unterschiedlichen öffentlichen Verkehrsmittel zu. Etwas angespannt wickelte ich sie zwei Tage später daheim aus – und es zeigte sich glücklicherweise kein Schaden. Ich wässerte sie vorsichtig und stellte sie ans helle Winterfenster. Hier blühte sie vorgestern auf. Und ich bemerkte das erste Mal, dass sie einen eigenartigen, angenehmen Duft verströmt. Leicht, keineswegs ist die Zimmerluft parfümiert, aber höchst entzückend. Er erinnert mich – wie auch nachlesbar ist – durchaus an Heu, aber ich finde noch sehr zarte Noten von Holz, Vanille und Maiglöckchen. Bei allem bin ich bin kein Duftexperte und mein Duftgedächtnis ist höchstpersönlich und alles andere als allgemein bindend.
Nun setze ich alles daran, diese hübsche Pflanze langfristig zu halten. Sie scheint es mir leicht zu machen, denn die Recherchen ergaben, dass sie eine weite Temperaturtoleranz zwischen 15 und 25° hat, einmal die Woche gewässert werden sollte (Tauchen) und einen halbschattigen Platz bevorzugt. Ich werde sie vom jetzigen Platz wegstellen, sowie etwa ab Mitte Februar die Sonneneinstrahlung zu stark wird – zur Zeit ist die Lichtmenge dort aber recht passend. Die erforderliche Luftfeuchte sehe ich zu durch aufgestellte Schalen zu halten. Im Sommer habe ich vor, sie gemeinsam mit meinen heiß geliebten Cymbidien ins Freie halbschattig aufzustellen und hoffe, dass damit alles gut geht. Internet-Händler empfehlen eine Düngung bei jedem zweiten Gießgang – ich werde dabei die halbierte Menge eines handelsüblichen Pflanzendüngers verwenden, das ist bei den meisten Orchideen bisher genau richtig gewesen.
Dendrochilum glumaceum stammt von den Phillipinen. Es handelt sich um eine Wildart – und das ist immer so eine Sache. Schließlich sind Orchideen-Arten meist hoch spezialisiert auf ihren Standort und es ist nicht leicht, das im eigenen Heim zu simulieren. Aus diesem Grund sind Arten die züchterisch stark bearbeitet wurden – etwa durch Artkreuzungen oder (bei Orchideen gar nicht mal unüblich) sogar Gattungskreuzungen – einfacher zu halten, weil sie auf „Zimmertauglichkeit“ hin selektiert wurden. Ich gebe zu, ich habe mich bisher immer gerne an solche zimmererprobten Orchideen gehalten, um mir und der Pflanze Kummer zu ersparen. Nun ist es also eine Wildart, der ich gerecht werden muss.
Ein mir wichtiger Hinweis: Ich schreibe hier unentgeldlich. Das Nennen von Firmennamen halte ich für fair und richtig, wenn sie für den Beitrag eine Rolle spielen. Gerade bei der Berichterstattung nach etwa einem Messebesuch nehme ich mir diese Freiheit. Man mag monieren, dass ich eine Pflanze der beschriebenen Orchidee angenommen habe und vermuten, dass ich mich nun verpflichtet fühle, auch über weitere Produkte von Hassinger zu schreiben. Bitte glauben Sie mir, ich schreibe hier sehr gerne auch über diese beiden anderen Produkte, weil für eine interessante Bereicherung des Orchideenmarktes halte. Messe ist Messe, Neuheiten sind Neuheiten, interessant ist interessant und Ross-und-Reiter nennen ist meiner Ansicht nach eine richtige Anerkennung für geleistete Arbeit. Die Entscheidung, was ich hier veröffentliche fälle ich allein und nur unter dem Gesichtspunkt, ob mich etwas begeistert und ich es für veröffentlichungswert halte. Punkt.