Diese beiden Fachbegriffe bezeichnen farbige Hochblätter, die einen Blütenstand reizvoll machen. Manche Pflanzen bilden nur sehr unscheinbare Blüten aus, die meist in Blütenständen zusammen stehen. Die Blüten selbst haben dann keine auffälligen Blütenblätter (Petalen) oder andere Bestandteile, etwa Sepalen, die zum Anlocken von Bestäubern dienen könnten. Wenn es sich nicht um Gewächse handelt, die durch Wind bestäubt werden, etwa Gräser, würden sie bei der Konkurrenz um Bestäuben wie Vögel oder Insekten ins Hintertreffen geraten. Doch einige Arten beweisen, wie flexibel im Verlauf der Evolution ihrer Art sich alles was sie braucht entwickeln kann. Bei ihnen färben sich Laubblätter vom Chlorophyll-Grün in Lockfarben um. Sowie sich ein Blütenstand gebildet hat, sorgen pflanzeneigene Hormone dafür, dass sich entsprechende Farbpigmente bilden und das Blattgrün überlagern. Um den Farbeindruck noch opulenter zu machen, umgeben meist mehrere Hochblätter eine Blüte oder einen Blütenstand.
Diese umgefärbten Hochblätter übertreffen nicht zuletzt durch ihre Zahl und Größe in ihrer Wirkung zahlreiche Blüten, die von anderen Pflanzenarten hervor gebracht werden. Der vermeintliche Nachteil, dass die Blüten selbst nicht besonders auffällig sind wird mehr als ausgeglichen und der Weg zum Bestäuben ist eindrucksvoll gewiesen.
Die Form der Hochblätter muss nicht unbedingt der Form der grün gebliebenen tiefer liegenden Laubblätter haben, gelegentlich ähneln sie einander aber sehr stark. Das bekannteste Beispiel ist der Weihnachtsstern (Euphorbia pulcherrima). Umgeben zwei oder mehrere Hochblätter eine einzelne Blüte oder einen Blütenstand, nennt man diese „Brakteen„. Im Bild rechts sieht man eine den Zustand gegen Ende des Umfärbeprozesses: Die Knospen sind noch klein und geschlossen. Zeitgleich mit dem Öffnen der Blüten sind auch die Brakteen noch auffälliger ausgefärbt – in diesem Falle dauert es noch etwa zwei, drei Wochen bis die Pflanze ihr Werk vollendet hat.
Bei den oben groß abgebildeten Bougainivillen (Bougainvillea) zeigt sich, wie reizvoll ein Farbverlauf sein kann. Anfänglich weißlich (Bougainvillen-Sorten gibt es in zahlreichen berauschend schönen, oft sehr intensiven Farben) nehmen die Brakteen dieser Sorte nach und nach einen intensiveren Farbton an – freilich bestens getimt mit der Reife der Knospen zu Blüten. Das Bild ist auf Kreta entstanden; hierzulande werden die frostempfindlichen Bougainvillen, die meist in Kübeln wachsen müssen, selten so hoch.
Ein Spezialfall ist ein einzelnes Hochblatt, dass einen Blütenstand umhüllt oder flankiert. Das ist der Fall etwa bei Aronstabgewächsen (Araceae) zu denen etwa die links abgebildete Kalla (Zantedeschia, hier die Sorte ‘Red Sox’), sowie Flamingoblumen (Anthurium), Einblatt (Spathiphyllum) aber auch die als Blattpflanzen im Zimmer kultivierten Fingerblatt (Monstera) und Baumfreund (Philodendron) gehören. Letztere lassen ja auch gelegentlich Blütenstände blicken. Bei ihnen allen stehen die kleinen Blüten an der Spitze der Sprossachse in einem dicken, fleischigen Kolben zusammen – man nennt ihn „Spadix“. Ein mehr oder weniger tütenförmiges großes Hochblatt, die Spatha, umgibt die Spadix und sorgt dafür, dass die Blüten nicht übersehen werden können.
Brakteen oder Spathae sind in der Regel viel haltbarer als „echte“ Blütenblätter (Petalen). Schnittblumen wie Kalla oder Anthurien halten aus diesem Grund besonders lange in der Vase. Meist verlieren die Hochblätter erst die Farbe, wenn die letzten Blüten eines Blütenstandes bestäubt sind oder umbestäubt vergehen. Durch das ziemlich stabile Blattgewebe bleibt aber die Form der Brakteen bzw. der Spatha oft noch eine Weile erhalten und schmückt vergrünt, weniger auffällig aber nicht weniger reizvoll, an der Pflanze. Bei einigen Arten trocknen sie sogar ein, ohne dass sie schlappen oder abfallen.
Getrocknete Hortensien-Brakteen, etwa solche der rechts abgebildeten Bauern-Hortensie (Hydrangea macrophylla), sind beispielsweise in floristischen Arrangements lange ansehnlich und selbst an der Pflanze erinnern sie, wenn auch auf eine etwas morbide Weise, im Winter daran, dass es auch einmal buntere Tage gab, die gewiss wiederkommen. Ich gebe zu, dass mir die farbigen Hortensien besser gefallen als die grünbraunen Ausführungen und setze daher eine Aufnahme einer Hortensie aus Sommer hier ein. Ein weiterer Grund ist, dass ich derzeit kein Bild einer Winterhortensie zur Hand habe und es mir heute im nasskalten Januar zu ungemütlch ist, mit der Kamera auf die Pirsch dafür zu gehen – man möge mir verzeihen.