Synonyme: ’Ragtime’, ’Sweet Child of Mine’
Strauchrose
Tantau (D), 2009
Kreuzung: nicht veröffentlicht
Farbe: cremeweiß, leicht grünliche Reflexe
Füllung/Form: sehr dicht gefüllt; rundliche Knospe und Blüte
Duft: leicht
Höhe: um 120 cm
Besser spät als nie! Diese Sorte habe ich gut zehn Jahre nach ihrer Markteinführung erst wirklich wahrgenommen. Auf der einen Seite freue ich mich, sie nun zu kennen – andererseits ärgere ich mich darüber, dass ich nicht schon früher ein Loblied auf sie angestimmt habe.
Wie kam ich zu ’Artemis’? Ich suchte nach der ultimativen weißen Sorte für eine Formation von Hochstämmen. Edelrosen wollte ich da nicht einsetzen – selbst wenn etwa ’Ambiente’ von Noack gut hätte aussehen können – vielleicht hätte ich sie genommen, wenn ich nicht auf ’Artemis’ gestoßen wäre. Bei den Beetrosen, die ich so kenne, erschien mir keine für dieses hohe Amt geeignet. Neben einer weißen, wetterfesten Blüte wollte ich ja auch einen guten Duft, einen ausgewogenen und nicht allzu ausladenden Strauchwuchs, beste Blattgesundheit und alle weiteren Tugenden, die so eine moderne Rose aufbringen kann.
Ich war ratlos. So rief ich die in Sachen „Stammrosen“ sehr versierte Manuela Dräger, vom Rosenpark Dräger in Steinfurt an und fragte sie, was sie denn von ’Artemis’ hielte, die sie als Hochstamm anbietet. Die Antwort verblüffte mich: Manuela fand die Sorte toll und versteht nicht, warum sie nicht längst einer der Renner in ihrem beachtlichen Sortiment ist. Diese Expertise reichte mir und ich bestellte die acht erforderlichen Pflanzen bei ihr.
Die erste Blüte kam ziemlich früh in der Saison 2019. Die Knospen sind grünlich-cremefarben, eiförmig und nicht besonders groß. Auch die Blüte ist eher mittelgroß – aber wunderschön: Vollendet kreisrundregelmäßig formieren sich die vielen Blütenblätter, die ihre cremeweiße Farbe behalten und bei bestimmter Beleuchtung grünlich schimmern. Nur selten werden Staubgefäße sichtbar. Tja – und was ist nun mit dem Duft? Hier finden sich in den Erfahrungsberichten und der Literatur sehr unterschiedliche Angaben. Ich selber würde ihn als leicht bezeichnen. Die zuweilen beschriebene Anisnote kann ich nicht wirklich bestätigen – zu zart ist der Dufteindruck, um mein Riechepithel entsprechend eindeutig zu beeindrucken. Tja, nun fehlte aber eine meiner Anforderungen an die Hochstammrose: der intensive Duft.
Aber wissen Sie was?
Das ist mir völlig egal. Alle anderen Eigenschaften von ‚Artemis‘ überzeugten mich auf ganzer Linie; sie ist die Idealbesetzung für diesen Garteneinsatz. Eben weil die Blüten, die übrigens in kleinen Büscheln zusammenstehen, nicht allzu groß sind. Der Wuchs der Pflanzen ist ideal, wenn eine einigermaßen aufrechte Krone, die aber nicht staksig wirken soll, gefragt ist. Die Blüten halten selbst in der Hitze gut eine Woche lang und verblühen sauber. Die paar Regenschauer, die es 2019 gab, haben sie bestens überstanden ohne zu verkleben. Und dem ersten Flor, der sich etwa fünf Wochen lang hinzog, folgte ein zweiter im Spätsommer. Mich hat es dabei gar nicht gestört, dass die Pflanzen eine Blühpause machte – so konnten die etwas später mit der Blüte einsetzenden Rosensorten auf den Beeten in ihrem Vollflor alle Blicke auf sich ziehen. Ich habe so gelernt, dass in einem Rosengarten voller verschiedener Sorten es sogar ein Vorteil sein kann, wenn so prägnante Pflanzen wie eben Hochstämme mal nicht so präsent sind – das hält das Bild interessant und immer neu.
Das dunkle Laub von ’Artemis’ sitzt dicht, glänzt stark und ist nach dem hellgrünen Austrieb ziemlich dunkel getönt. Es ist weder zu groß noch zu zierlich und passt bestens zu den Blüten. Ein ADR- Siegel hat sie zwar nicht, doch meines Erachtens reicht die Blattgesundheit völlig aus, um ’Artemis’ zu empfehlen.
Mir gefällt auch der Name dieser Rose. Artemis ist bekanntlich eine hohe Göttin im Pantheon des griechischen Altertums. Als Freigeist durchzieht sie die Wälder mit ihrem weiblichen Gefolge. Sie ist Göttin der Jagd und Schutzherrin der wilden Tiere. Frauen beteten um ihren Beistand während Geburten, denn da ist seit kleinauf äußerst versiert. Sie kam nämlich als ältere Zwillingsschwester des Apollon auf die Welt und half beende ihrer Mutter Leto, die es sowieso ziemlich schwer hatte, bei der zweiten Entbindung. Männer hält Artemis auf Abstand. Und wer ihre Kreise stört, lernt ihre Reizbarkeit kennen. Verfehlungen gegen ihre Ehre ahndet sie äußerst hart – meist durch treffsicher abgeschossene Pfeile von dem Bogen, den sie fast immer mit sich führt (Das Foto der Artemis Statue oben hat mein Mann Stefan im Museum in Heraklion auf Kreta aufgenommen). Kein Mann sollte es überleben, sie unbekleidet zu sehen, kein Frevel ihres Kultes, keine Lästerung, keine Übertretung einer ihrer Regeln bleiben ungesühnt. Und doch zeigt sie ein Herz, wenn Ungerechtigkeiten (etwa an einem jungen Mädchen) begangen werden, denn sie rettete Iphigenie vor dem Opfertod durch ihren Vater Agamemnon, indem sie die Maid durch eine Hirschkuh ersetzte.
Dieser Plot kommt einem bekannt vor, wenn man sich die ähnliche Situation von Abraham mit seinem Sohn Isaak, von der in der Bibel berichtet wird, vergegenwärtigt. Beide Beispiele zeigen unmissverständlich, wie eine Verblendung (entsetzlicherweise von Vätern) zu einer fanatischen Auslegung der Göttlichkeitsgefolgschaft führt, die den Wunsch der entsprechenden Gottheit weit übersteigt. Beide wollten ihre Kinder opfern, um ein „höheres Ziel“ zu erreichen. Und beiden konnten nur die betroffenen Gottheiten selbst durch aktives Einschreiten davon abhalten, den ultimativen Frevel gegen das Leben zu vollenden.
Artemis wurde zudem im Laufe der Jahrhunderte als Göttin des Mondes – ihr Bruder Apollon als Sonnengott – verehrt. Ich habe nie herausfinden können, ob die bereits amtierende Mondgöttin Selene und der ebenfalls oft in den Sagen in Erscheinung getretene Sonnengott Helios – sie stammen aus dem alten Titanenadel – in Pension geschickt wurden oder noch irgendwie am Firmament aushalfen.
Sei’s drum! Die Blüten der Artemis-Rose schimmern wundervoll mondhell durch laue Sommernächte und passen auch in diese Facette der illustren mythologischen Namenspatronin. Wir haben übrigens auch eine Pflanze getopft – freilich als Hochstamm – vor unserem Hauseingang stehen … Sie sehen: Sie ist eine unserer Lieblingsrosen.
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