Der genaue Zeitpunkt, bzw. der passende Zeitpunkt, um eine Arbeit im Garten zu erledigen, ist für eine optimale Kultur von Pflanzen wesentlich. Ich muss wissen, wann ich etwa Pflanzen aussäe, zurück schneide oder pflanze, um ihnen ideale Bedingungen zum Gedeihen zu bieten. In unseren Breiten richten wir uns nach den Jahreszeiten. Ehe ich hier die phänologischen Jahreszeiten vorstelle, nach denen sich Gärtnerinnen und Gärtner richten, möchte ich einen Exkurs einlegen, um die beiden allgemein bekannten Jahreszeitensysteme vorzustellen – und wie sie definiert sind. Alle, die direkt in das Thema „phänologische Jahreszeiten“ einsteigen möchte, können zur entsprechenden Zwischenüberschrift vorscrollen.
Astronomische Jahreszeiten
Die bekannten astronomischen vier Jahreszeiten Frühling, Sommer, Herbst und Winter richten sich einzig nach dem Sonnenstand bzw. der Tageslänge, die durch den Auf- und Untergang der Sonne am Horizont bestimmt wird. Das exakte Datum schwankt zwischen zwei, drei Tagen. So beginnt der Frühling stets an dem Tag an dem die Tages- und Nachtlänge gleich ist und die Sonne in den folgenden Wochen später auf- bzw. untergeht. Dieses so genannte „Primäräquinoctium“ fällt auf ein Datum zwischen dem 19. und 21. März eines Jahres, je nachdem wann genau die Sonne tatsächlich den Himmelsäquator von Süden nach Norden überschreitet. Ab jetzt ist die Nordhalbkugel unserer etwas schräg im All umhersausenden Erde der Sonne stärker zugeneigt als die Südhalbkugel und die Sonnenenergie kann hier maximal wirken.
Der Sommer ist zur Sommer-Sonnenwende da, dem „Solstitium“, wenn die Sonne am 20. oder 21. Juni den höchsten Stand auf der Nordhalbkugel erreicht hat. Danach werden die Tage wieder kürzer, die Sonne erscheint und sinkt wieder früher als zuvor.
Im September sind daher die Tage und Nächte wieder gleich lang, der genaue Tag wird als „Sekundäräquinoctium“ bezeichnet und fällt auf die Kalendertage 22. oder 23. September. Es ist nun astronomischer Herbst.
Nun werden die Tage kürzer als die Nächte, denn die Südhalbkugel unseres schrägen Heimatplaneten wendet sich der Sonne stärker zu und unsere Nordhälfte bekommt weniger Energie ab. Am kürzesten scheint die Sonne am Tag „der längsten Nacht“ vor der Winter-Sonnenwende, die zwischen dem 21. und 22. Dezember terminiert ist. Der astronomischer Winter hat begonnen und dauert an, obwohl ab der Winter-Sonnenwende die Tage wieder länger werden. Erst die darauf folgende Tag-und Nachtgleiche markiert den Beginn des nächsten Frühlings.
Metereologische Jahreszeiten
Die Metereologen wissen selbstverständlich um die astronomischen Jahreszeiten. Allerdings ist es leichter für sie, die Datenfülle die sie erheben mit den jeweiligen Monaten eines Jahres abzustimmen. Sie bedienen sich eines Tricks und definieren den Anfang einer Jahreszeit jeweils mit dem Anfang des Monats in dem die astronomische Jahreszeit fällt. Der metereologische Frühling fällt also auf den 1. März, der Sommer auf den 1. Juni, der Herbst auf den 1. September und der Winter auf den 1. Dezember. Für unser eigenes „Gefühl“ von Jahreszeiten passt das auffallend gut, denn wer würde spontan etwa einen 5. September als Sommertag oder einen 10. Dezember als Herbsttag bezeichnen?
Phänologische Jahreszeiten
Für Gärtnerinnen und Gärtner eignen sich weder die astronomischen noch die metereologischen Jahreszeiten als Orientierungshilfe, um bestimmte Arbeiten vorzunehmen. Zum einen umfassen sie zu umfangreiche Zeiträume – immerhin drei Monate. Und jeder weiß, dass es einen großen Unterschied macht, ob er drei Monate früher oder später beispielsweise Ringelblumen aussäe. Wir brauchen eine feinere Abstufung der Zeiten. Hinzu kommt, dass die beiden Kalendarien sehr starr sind. Sie berücksichtigen lediglich den Sonnenstand bzw. einen Monatsanfang – völlig unabhängig davon, welches Wetter tatsächlich herrscht. Wer etwa am 23. März Geburtstag feiert, wird sich an Feste erinnern, die in Schnee und Eis stattfanden (nicht besonders oft), an solche die völlig verregnet und ungemütlich waren (gar nicht mal selten) oder an solche, in denen die Sonne schon warm scheint und draußen bereits Narzissen und erste Tulpen blühen (so wie 2018). Man sagt, dass „die Natur“ verschieden weit ist und meint damit die Vegetation, die sich, angepasst durch ihre äonenlange Evolution, abhängig vom Witterungsverlauf in einem Jahr schneller, im anderen verzögert entwickelt. Und obendrein gibt es noch etwa in Deutschland unterschiedliche Klimazonen. In höheren Gebirgslagen rühren sich Blattaustriebe oder erste Blüten meist etwa zwei Wochen später als in Weinbaugebieten. Was tun? Klare Antwort: Dort wo man gärtnert die Phänomene der sich entwickelnden Pflanzen beobachten und die passenden Arbeitsschritte darauf abstimmen. Das haben die klugen Köpfe gemacht, die den phänologischen Jahreskalender entwickelt haben. Sie beschränkten sich nicht auf die vier üblichen Jahreszeiten, sondern unterscheiden 10 davon. Sie werden eingeleitet durch allgemein bekannte, markante Pflanzen, die jeweils blühen, fruchten oder sonstwie auffällig in Erscheinung treten. Die Zeichnung oben gibt einen Überblick davon. Die Angaben von wann bis wann phänologische Jahreszeiten den Kalendermonaten zugeordnet werden können und auch die angegebene Dauer der phänologischen Jahreszeiten sind nur Durchschnittswerte. Sie können deutlich von dem dargestellten „Normaljahr“ abweichen.
Die Zeichnung hat Matias Kovacis angefertigt und entstammt dem Buch „Quickfinder Gartenjahr“ für das ich gemeinsam mit Brigitte Goss und Thomas Schuster die Texte geschrieben habe. Es ist erschienen im GU-Verlag München und bekam 2017 auf Schloss Dennenlohe den Gartenbuchpreis in der Sonderkategorie > Leserpreis der Zeitschrift „Mein Schöner Garten“< verliehen.
Die einzelnen phänologischen Jahreszeiten stelle ich hier auf meiner Website in einem je einzelnen Beitrag vor, sowie sie beginnen. Klicken Sie einfach auf die unten angeführten Begriffe, sobald sie anzeigen, dass sie mit einem neu erstellten Artikel verlinkt sind. In diesen Beiträgen finden Sie Hinweise, wodurch die einzelne phänologische Jahreszeit angezeigt wird und welche Arbeiten in ihr anstehen. Der angegebene terminliche Beginn der Jahreszeiten spiegelt das Witterungsgeschehen in der Gegend zwischen Karlsruhe und Pforzheim wider – erfahrungsgemäß eine Region in Deutschland, in der vor allem der Frühling besonders früh beginnt.
Vorfrühling / Erstfrühling / Vollfrühling / Frühsommer / Hochsommer / Spätsommer / Frühherbst / Vollherbst / Spätherbst / Winter