Im 18. Jahrhundert fanden neben zahlreichen anderen Zier- und Nutzpflanzen auch Rosen aus dem fernen Asien ihren Weg nach Europa. Eine davon war die damals so benannte Rosa indica bzw. Rosa indica semperflorens, man nannte sie in Deutschland auch „Bengal-Rose“. Da in diesen Zeiten die Handelswege von ostasiatischen Ländern wie China oft über Indien führten, kam es nicht nur bei den neuen Rosenarten zu einer botanischen Benennung nach dortigen Regionen: „indica“ beschreibt dann folglich den ganzen Subkontinent. „Bengalen“ ist die Bezeichnung für eine Region im nordöstlichen Randgebiet Indiens das Kontakt zu Küste hat an Myanmar (Burma) grenzt; eine bekannte Stadt Bengalens ist Bangladesch und das südlich angrenzende Meer trägt den Namen „Golf von Bengalen“.
Alte Gartenformen
Zurück vom Ausflug in die Geografie zum Thema – hier geht es um Rosen, die definitiv in China entstanden sind. Mittlerweile werden sie unter dem Namen Rosa chinensis zusammengefasst. Man muss sich aber darüber im Klaren sein, dass die so bezeichneten Sorten nicht unbedingt von einer gleichnamigen Wildart abstammen. Die Pflanzen, die vor rund 230 Jahren eingeführt wurden (als Stichdatum mag das Jahr 1790 gelten mit der Ankunft von Pflanzen der ‘Old Busch’, auch bekannt als ‘Parson’s Pink China’), waren bereits Gartenformen. Schließlich blickt China auf eine über 3000 Jahre lange Gartenkultur zurück. Da kann es nicht wundern, dass chinesische Gärtner aus den vorhandenen Wildarten ihrer Natur – diskutiert werden etwa die „echten Arten“ Rosa gigantea oder Rosa multiflora – längst sehr ästhetische Gartenformen entwickelt hatten als die europäische Rosenzüchtung noch in den Kinderschuhen steckte.
sensationell: öfter blühend
Ohne das Einkreuzen von Rosa chinensis-Sorten sähen unsere Rosengärten völlig anders aus – vor allem ab Mitte Juli. Das wertvollste Erbe der Rosen aus dem Reich der Mitte ist die dauerhafte Blütezeit, die sich einen ganzen Sommer über erstreckt. Der Unterschied: Rosen deren Ahnentafel nur mit europäischen Arten bestückt ist, blühen einmal am „alten Holz“. Das bedeutet, dass ein Trieb aus dem Vorjahr da sein muss, der wiederum neue Triebe bildet – nur diese neuen Triebe setzen Blüten an. China-Rosen waren so ziemlich die ersten Sorten auf europäischem Boden, die am „jungen Holz“ blühen. Das heißt, dass jeder junge sich entwickelnde Trieb, sei es von der Basis her, sei es aus vorhandenem Holz, Blütenknospen anlegt. Und da sie die gesamte Vegetationsperiode stets neue Triebe bilden, stehen China-Rosen ständig in Blüte. Das war damals eine Sensation – heute gehört es zum Standard fast aller neu in den Markt gebrachter Rosen.
schick: Blütenform, Blütenfarbe
Ein weiteres reizvolles Detail ist die hohe, schlanke Knospenform vieler China-Rosen. Auch das war erst etwas völlig Neues und erweiterte die Formenvielfalt der Blüten unserer Gartenrosen. Sie wird als besonders elegant empfunden und Sorten, die diese Blütenform bis zum Verblühen beibehalten sind sozusagen die edelsten der Edelrosen. Hinzu kommt, dass die China-Rosen das Potenzial mitbrachten, in warmen Rottönen zu blühen. Auch das ist bei uns längst Gewohnheit, doch im 18. Jahrhundert galt das Rosenrot als kühler Farbton, den wir heute eher als Karmin, Purpur oder Cerise bezeichnen würden. Nebenbei bemerkt wurden auch hellere Rotnuancen, die wir jetzt eher als „Rosa“ bezeichnen, damals noch als „Rosenrot“ bezeichnen. Die Züchtungsgeschichte beeinflusste auch die sprachliche Ansprache von Farben, denn wenn man heute jemanden bitten würde, ein typisches Rosenrot zu beschreiben, würde man die Assoziation von dunklen, warm blutroten Schnittrosen erhalten. Solche Rosen gelten mittlerweile als Inbegriff von Liebe und sollen Liebesgeständnisse machen wenn uns die Worte fehlen – oder wenn wir einfach mal wortlos bleiben möchten …
… das gilt es zu beachten
Allerdings brachten die China-Rosen nicht nur Vorteile. Viele von ihnen waren (und sind) längst nicht so winterhart wie etwa unsere europäisch-stämmigen Arten und deren Sorten. Pilzbefall, vor allem Sternrußtau, setzte ihnen sehr zu und der so gerühmte Duft der Königin der Blumen ist meist nur schwach oder gar nicht ausgeprägt und keineswegs automatisch „rosenartig“. Das alles wurde ebenfalls in die Züchtungen, die bald entstanden, weitervererbt und es brauchte einen sehr langen Ausleseprozess, bis wirklich gartengeeignete Sorten entwickelt werden konnten. Aber: Das Ganze ist eine Erfolgsgeschichte! Die China-Rosen hinterließen Spuren in den unter ihrer Beteiligung entwickelten bezaubernden Tee-Rosen, Tee-Hybriden, Noisette-Rosen oder Moschata-Rosen.
filigrane Erscheinung
Die Pflanzenerscheinung war übrigens ebenfalls seinerzeit ungewöhnlich. Triebe von China-Rosen sind vergleichsweise dünn, zäh und eher drahtig und die gesamte Pflanze wirkt filigran, zuweilen etwas staksig und skurril. Das Laub ist im Allgemeinen glänzend und nicht matt und die Bestachelung selten dicht, sondern eher von einzeln stehenden, hakenartigen Stacheln gekennzeichnet. Die Höhe der China-Rosen schwankt beträchtlich – man kennt handliche Sorten die etwa tischhoch werden aber auch Kletterer, die ein kleines Gebäude überwachsen können. Sehr auffällig ist die Neigung sehr zahlreiche Knospen an einem Trieb zu bilden. Blütenbüschel eingewachsener Pflanzen tragen leicht einmal über 30 Blüten die über einen Zeitraum von etwa drei, vier Wochen aufblühen. Alle diese Merkmale lassen sich mehr oder weniger auch in den oben genannten recht ähnlich wachsenden Rosenklassen erkennen.
Halten wir fest: Ohne China-Rosen und den genannten früh aus ihnen entwickelten Klassen wären unsere heutigen Rosensorten nicht denkbar! Sie sind wesentlich an der Entwicklung der heute Gärten und Parks dominierenden öfterblühenden Rosenklassen der Edelrosen, Beetrosen, Strauchrosen, Kleinstrauchrosen, Climber- und Rambler sowie der Patio-Rosen oder Persica-Hybriden beteiligt.
Echte China-Rosen heute
Noch heute lassen sich aber auch die „alten“ China-Rosen, die sich einen gewissen exotischen Charme bewahrt haben bei spezialisierten Rosenanbietern finden. Mir gefällt das Sortiment vom Rosenhof Schultheis besonders gut. Die heute verfügbare Sortenpalette ist nicht besonders groß, doch es finden sich entzückende und sehr spannende Vertreter unter ihnen. Die abgebildete ‘Perle d’Or’ etwa ist recht verbreitet, andere Sorten sind echte Raritäten bei denen es sich lohnt danach zu suchen oder sich in Geduld zu üben, bis sie lieferbar sind. China-Rosen sind nämlich nicht alle einfach heran zu ziehen und es kann vorkommen, dass nur sehr wenige Pflanzen im aktuellen Angebot bereit stehen bzw. diese bereits im laufenden Jahr vergriffen sind.
Allen gemeinsam ist, dass sie am besten an einem sonnigen, geschützten und warmen Standort gedeihen. Dort bleiben sie auch gesund. Glauben Sie mir: Nicht nur im Weinbaugebiet – aber besonders dort – sind China-Rosen eine Offenbarung.
Da die populärsten China-Rosen eher niedrig wachsen, eignen sie sich ausgezeichnet als Kübelpflanze. Die zuweilen äußerst delikate Farbstellung – zahlreiche Sorten changieren hinreißend in mehreren Farben – lässt sich hier besonders gut erkennen und genießen. Insofern sind sie wunderbare Ergänzungen mit einem kleinen Schuss Exotik gerade für Terrassen oder in Dachgärten wo sich besonders augenfällig Pflanzen aus aller Herren/Herrinnen Länder versammeln. Aber freilich lassen sie sich ebenfalls in kleinen Beeten inszenieren. Achten Sie beim Kombinieren mit anderen Pflanzen darauf, dass die Feinheit der Rosen nicht durch plakative Beetnachbarn gestalterisch überrannt wird. Zu einem erlesenen China-Tee würde auch niemand Gummibärchen essen … China-Rosen waren, sind und bleiben eben etwas ganz Besonderes.